Verbotspartei? Ein doofes Klischee!

Was ist eigentlich so schwierig am Thema Mobilität? Menschen auf Lastenfahrrädern fahren durch kleine Dörfer, auf einer Bank sitzt ein Zeitungsleser, neben sich ein Fahrrad mit einem Blumenstrauß auf dem Gepäckträger, der Innenhof beim Gemüsehändler steht mit Fahrrädern voll. Besorgt über die Schulter blicken, an der Ampel absteigen, Gefahr von hinten oder beim Abbiegen – Schnee von gestern. E-Bikes erleichtern die Entscheidung fürs Zweirad, Sprachkurse werden mit Fahrradkursen kombiniert, Integration dadurch erleichtert, Fahrradkurse für Ältere erhöhen das Sicherheitsgefühl.

Nun ja, so könnte es aussehen. So ist es aber nicht! Die Bundesstraße dominiert die enge Ortsdurchfahrt, die Straße zum Bahnhof ist mit Anwohner:innen zugeparkt, der öffentliche Busverkehr gerät leicht ins Stocken auf seiner Schlängeltour durch das Dorf. Das klingt schon eher nach Alltag!

Die Vision heißt „Vorfahrt für Rad und Bus“, und das hat überhaupt nichts mit einem Verbot von Autos zu tun. Das Ziel einer autofreien Innenstadt braucht Bedingungen, die Fahrradfahren, zu Fuß gehen und den öffentlichen Nahverkehr begünstigen. Eigentlich ganz einfach! Sprachlich war der Sieg des Autos über den Menschen schon lange offensichtlich. Der Begriff „Fußgängerzone“ bezeichnete schon immer das innerstädtische „Gehege“: Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein! Es wird Zeit für eine grundlegende Korrektur in Sprache und Denken, es wird Zeit für Autozonen! In Städten sollen Radfahrer:innen nicht absteigen müssen, Innenstädte sollen wieder in begehbare Treffpunkte verwandelt werden, sie sollen zum Flanieren einladen, indem sie überraschende Entdeckungen und Begegnungen ermöglichen, und zum müßigen Verweilen verführen. Der Kampf zwischen Auto – und Radfahrer um den öffentlichen Raum muss sofort ein Ende haben! „Von hier an anders“ ist das Buch von Robert Hobeck betitelt, es ist programmatisch gemeint. Und es läßt fürs Zaudern keine Zeit.

Und wie schaffen wir das? Nun, wie bei jeder Veränderung, wenn sie erfolgreich sein soll, steht am Anfang immer das konsequente und zügige Einführen einer neuen Struktur, z.B. Parkgebühren werden erhöht, Parkplätze reduziert, kostenlose Shuttlebusse werden eingeführt etc.. Begleitet wird diese Setzung von einer umfassende Kommunikation mit möglichst vielen Menschen. Ja, das ist tatsächlich eine normative Setzung, also nicht basisdemokratisch, sondern vorgegeben. Aber es ist nur ein erster Schritt, es ist ein Anfang, es ist Teil eines Plans. All wird diskutiert und gemeinsam weiterentwickelt.

Eine solche Setzung hat den Vorteil, dass viele sofort die Ernsthaftigkeit der kommunizierten Absicht einsehen. Was schon mal ein grundlegender Unterschied ist zu den bisherigen Verlautbarungen der öffentlichen Repräsentanten. Und obwohl alles nicht wirklich kompliziert klingt, ist es doch noch ein weiter Weg. Ein sehr weiter. Denn wie sollte man die Reaktion des FDP-Chefs Christian Lindner sonst deuten, dem auf den Vorschlag seiner Konkurrentin von den Grünen, nicht nur Autos zu subventionieren, sondern auch Lastenräder, nichts besseres als „Bullerbü“ einfiel. Nun ja.

Fest steht: Überall auf der Welt ist das Fahrrad auf dem Vormarsch. Überall in den Städten, groß oder klein, fürchten Menschen den drohenden Kollaps durch zu viel Autoverkehr. Das gilt auch im Autoland Deutschland: Wähler:innen wünschen sich mehr Radverbindungen, besseren Nahverkehr, mehr Platz in der Stadt. Wie also bauen wir die Mobilität um? Das ist ein ebenso großes wie drängendes Thema für die künftige Bundesregierung. Inlandsflüge verbieten? (Selbstredend!) Tempo 30 in der Stadt? (Klar doch!) Tempolimit auf Autobahnen? (Warum gibt es das noch nicht?) Bröckelnde Brücken und schlaglochgespickte Straßen reparieren? (Auf jeden Fall) Neue bauen? (Auf keinen Fall) Oder besser Geld in die Bahn stecken? (Immer eine gute Idee!) Elektroautos weiter fördern? (Nur als Übergang!) Ladesäulen bauen? (Die brauchen wir dann!) Spritpreise erhöhen? (Sowieso) Lkw-Verkehr bremsen? (Klar! Güter gehören auf die Bahn!)

Was wir auf alle Fälle brauchen sind mutige Entscheidungen und langfristiges Denken! Und damit sind Jahrzehnte gemeint. Stadtplanung ist Kulturveränderung, – und die dauert! Um die Klimaziele im Verkehrssektor noch zu erreichen, zu denen sich Deutschland im Pariser Abkommen verpflichtet hat, helfen keine Maßnahmen mehr, die in Jahrzehnten greifen. Die erste Deadline ist bereits 2030. Wie wichtig drastische Entscheidungen jetzt sind, zeigt die Absurdität staatlicher Subventionen: Der Staat unterstützt den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und ihren Verbleib. Gleichzeitig!

Es gibt gute Ideen, wie wir besser weitermachen können. Der Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie formuliert eine radikale Idee: „Keine neuen Straßen, keine neuen Schienen!“ Stattdessen Ridesharing-Dienste subventionieren, über Digitalplattformen koordiniert. Das könne die Hälfte aller Autos einsparen und jedem Bürger garantieren, jederzeit an jeden gewünschten Ort zu kommen. Das sei keine Utopie, sondern von heute auf morgen umzusetzen. Es fehlt nur der politische Wille! Von solchen Ideen brauchen wir mehr!

Was muss noch passieren, dass sich etwas in die richtige Richtung bewegt? Es ist hilfreich, wenn irgendwo im Nirgendwo ein Radweg gebaut wird. Es reicht aber nicht! Notwendig ist der große Wurf: „Von hier an anders!“ Es ist Zeit für mutige Entscheidungen und langfristiges Denken! Jetzt!

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