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Individualismus ist problematisch?

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Das war doch quasi ein soziologischer Paukenschlag des Herrn Bude: Der Neoliberalismus ist tot! Der Soziologe Heinz Bude hat auf stern.de Anfang April die Corona-Pandemie als „Schlussstrich unter eine Periode von 40 Jahren Gesellschaftsgeschichte“ bezeichnet, in deren Mittelpunkt das Individuum stand: „Unser ganzes Denken kreiste immer um das  Individuum, das sich mit Kompetenzen und Rechten ausstattet, das widerstandsfähig ist gegen Krisen, seine Besonderheiten inszeniert und so seine „splendid isolation“ feiern kann: Großartigkeit in der Vereinzelung.“ Das alles breche nun in sich zusammen, die Pandemie sei eine Zäsur, die unsere Sicht auf die Welt, und das Leben in der Welt, grundlegend verändere.

Das schätze ich auch so ein. Zumindest die Konsequenz. Vielleicht nicht ganz so revolutionär-umfassend, aber auf jeden Fall signifikant! Allerdings habe ich ein etwas anderes Verständnis von Individuum und Individualität. Ich orientiere mich an der Idee von Adorno, der einmal Individuum und Kollektiv in einen dialektischen Zusammenhang brachte, indem er sinngemäß sagte, dass wirkliche Kollektivität sich ohnehin nur als entwickelte Individualität denken ließe. Denn nur ein entwickeltes Individuum sei in der Lage, die Notwendigkeit von Kollektivität zu erkennen, und sich entsprechend zu verhalten.

Ich habe das immer so verstanden, dass die Entwicklung einer eigenen Charakters, einer eigenen, autonomen, mündigen Persönlichkeit, notwendig zu der Erkenntnis führen muss, dass ein Überleben nur im sozialen Verbund, im Kollektiv möglich ist. Nur ein wirklich entwickeltes Individuum ist in der Lage, sein eigenes, existenzielles Interesse an einer kollektiven Lebensform zu erkennen. Denn nur ein wirklich entwickeltes Individuum ist fähig und willens, die Grundbedingung für das Funktionieren eines Kollektivs zu akzeptieren: Die punktuelle Nachrangigkeit des eigenen Interesses. Diese Akzeptanz spiegelt sich in dem konkreten Verhalten, etwas nicht zu tun, obwohl es nicht verboten ist. Nur ein mündiger Mensch ist dazu in der Lage, sich freiwillig selbst zu bescheiden, sich zurückzunehmen. Nur ein mündiger Mensch kann sein Interesse dem allgemeinen Interesse freiwillig unterordnen.

Und in diesem Sinne hofft Herr Bude auf „bessere Zeiten“ (ja, das hat er so nicht gesagt!), – ich hoffe mit ihm. Und bin, den Unkenrufen zum Trotz, sehr zuversichtlich!

Hier geht’s zum Bude-Text: Bude Keine Ichlinge

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