„Kommunalpolitik? OmG!“

Na ja, der Begriff Kommunalpolitik hat früher mindestens ein Gähnen provoziert. Provinzfürsten schlagen sich mit Fragen der Müllentsorgung, der Ansiedlung von Gewerbe, der Breite von Zufahrten oder der Ausstattung des Bauhofes rum. Das klang nicht nur nicht attraktiv, das waren die althergebrachten Traditionen und Rituale einer alten Welt, die es zu überwinden galt. Die Kehrwoche schaffte es gerade noch ins belächelte folkloristische Kulturgut, für alle, die froh waren, diesen Zumutungen entronnen zu sein. Nun ja, der Blick darauf hat sich verändert, auch wenn die damit einhergehende Haltung der protestantischen Ethik nach wie vor zurecht im Brennglas der Kritik bleibt. Über den Zusammenhang zwischen dieser Ethik und dem Geist des Kapitalismus hat Marx Horkheimer einen hellsichtigen Aufsatz geschrieben.

Kommunen sind die kleinsten politischen Verwaltungseinheiten, getragen von ihren Bewohner:innen. Da kommt man nicht automatisch drauf, wenn man sich das Leben in Kommunen so ansieht! Kommunalpolitik ist das Recht einer Gemeinde, ihre Angelegenheiten im Rahmen der staatlichen Ordnung zu regeln. Woraus aber immer auch die Pflicht erwächst, die Angelegenheiten auch tatsächlich zu regeln. Sie gilt als die Art von Politik, die ganz nah an den Bürger:innen ist, und bei anstehenden Entscheidungen ein hohes Maß an Partizipation ermöglicht. Der Begriff Kommune kommt von communis, lateinisch für gemeinsam, öffentlich. Deshalb wird er auch synonym mit dem Begriff Gemeinde verwendet.

Der früher sehr enge Zusammenhang zwischen den Menschen in einer Gemeinde besteht so heute nicht mehr; Nachbarschaften sind keine lebenslänglichen Schicksalsgemeinschaften mehr, sondern zeitlich begrenzt; viele Menschen wechseln ihren Wohnort häufig, manche haben ständig zwei Wohnorte; die gesellschaftlich zu beobachtende Entwicklung zur Vereinzelung erfasst zunehmend mehr Lebensbereiche. Vor diesem Hintergrund hat Kommunalpolitik einen schweren Stand. Und kein attraktives Image.

Warum soll man sich für die Kommune interessieren, in der man gerade mehr oder weniger zufällig und auf unbestimmte Zeit seinen Wohnsitz hat? Weil Kommunalpolitik die Möglichkeit ist, das eigene Lebensumfeld in den verschiedenen Handlungsfeldern zu gestalten – als engagierte Bürger:in, als verantwortlicher Gewerbetreibende:r, als gewählte Repräsentant:in oder als Mitarbeiter:in der Verwaltung. Dafür braucht es eine aktive Gemeindevertretung, die, jenseits von Parteidünkel, die aktuellen Themen angeht, planvoll und inspiriert, kommunikativ und integrierend. Sicher ist es so, dass viele Menschen inzwischen kein Interesse mehr haben, die Angelegenheiten in einer Kommune als ihre eigenen zu erkennen, eine Entwicklung, die sich allenthalben beobachten läßt, und als Politikverdrossenheit auch zum Gegenstand soziologischer Untersuchungen geworden ist. Sicher ist es müßig, sich über die Ursachen zu streiten, ein Streit ohne Erkenntnisgewinn. Orientierung bietet allein die belegbare Tatsache, das zunehmend mehr Menschen sich nicht darum scheren, was in ihrer Kommune passiert. Garniert mit den immergleichen Klischees vom „Versagen der Politik“, der Willkür von „denen da oben“, und der Hetze im Gewand von „das-wird-man-ja-noch-sagen-dürfen!“. Das aufzubrechen, Resignation zu durchbrechen, Vertrauen wieder aufzubauen, Zuversicht und Selbstbewußtsein zu stärken, Dialog- Und Streitkultur zu fördern all das ist ein Gebot der Stunde. Und nirgends besser anzupacken als in einer Kommune.   

Um mögliche konkrete Maßnahmen besser beurteilen und bewerten zu können, ist es hilfreich, einige Prinzipien als Orientierung festzulegen. Das hilft, die notwendigen, auch strittigen Auseinandersetzungen argumentativ zu halten, und wirkt sich moderierend aus. Ohne ganz konkret zu werden, sollen Maßnahmen im Lichte aller Perspektiven und Zusammenhänge gleichrangig geprüft und entschieden werden. Die Erfahrungen der Pandemie lehren uns, dass einige wenige Themen eine zentrale Bedeutung für unsere gesellschaftliche Entwicklung haben. Nachhaltigkeit ist eines davon. Der Begriff meint u. a. die Schonung von Ressourcen, den weiter gefassten Begriff des Umwelt- statt Naturschutzes und die Sicherstellung der Lieferketten („end-to-end“-Verantwortung). Teilhabe ist ein weiteres wesentliches Thema. Es meint die Entwicklung einer Dialogkultur, in der Menschen miteinander ins Gespräch kommen, miteinander streiten, mit dem Ziel, das eigene Lebensumfeld gemeinsam zu gestalten. Hinter den Begriffen Kultur des Sozialen versteht man die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls, einer Zugehörigkeit zur Kommune. Naturgemäß wirkt sich die Entwicklung einer Dialogkultur auch unmittelbar darauf aus. Ortsentwicklung ist das umfassende Thema, das der Vision folgt, ein attraktiver, familienfreundlicher, integrierender Ort zu werden, lebenswert, solidarisch und vital.

Wenn alles, was konkret geplant wird, sich daran orientiert, lassen sich Unstimmigkeiten immer wieder auf die Frage zurückführen, was es mit diesen Ursprungsthemen zu tun hat. Bei Entscheidungen sorgt eine dynamische Balance dafür, dass dogmatisch erstarrte Positionen vermieden werden. Ein Kompromiss ist keine Lösung in Reinkultur der ein oder anderen Meinung, sondern eine, die Elemente aller Positionen aufweist. Ähnlich dem Dreigestirn der Hegel’schen Logik von These-Antithese-Synthese, in der die Synthese etwas völlig neues ist, aber Merkmale von These und Antithese aufweist. Eine solche Lösung steht am Ende einer beharrlichen und großzügigen Suche, unterstützt durch kompetente wissenschaftliche Beratung und Methodenkompetenzen. Sie ist ein konstruktiver Kontrapunkt gegen ein defizitorientiertes, bazarhaftes Handeln, das sich an der Verschmerzbarkeit eines Nachteils orientiert. Der Volksmund, die dumme Schnauze, meinte einmal: „Ein Kompromiss ist stets vollkommen, wenn beide Seiten das bekommen, was sie im Grund garnicht wollen, und sich auch noch freuen sollen!“ Na ja!

Mit der gemeinsamen Suche nach einer konstruktiven, neuen Lösung jedoch kann ein neues kommunales Selbstbewußtsein entstehen, geprägt von der neuen „alten“ bürgerschaftlichen Tradition, dass die Menschen ihr Lebensumfeld selbst gestalten. Gemeinsam.

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