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„NEIN! Es liegt nicht am Föderalismus!“

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Was wir aus Corona lernen können, ist eine nicht nur berechtigte Frage. Sie ist notwendig, wenn wir eine bessere Gesellschaft entwickeln wollen. Wenn wir zufriedener miteinander leben und arbeiten wollen. Dann, wenn alles wieder normal ist. Anders normal! Neu normal!

Wenn ich auf die bisherige Corona-Zeit schaue, dann sind einige Dinge offensichtlich: Wir Menschen sind nicht hilflos! Wir haben es ganz gut drauf, schnell mit pandemischen Viruskrankheiten umzugehen. Wissenschaftlich sind wir richtig gut drauf, wir analysieren schnell, und entwickeln atemberaubend schnell wirksame Impfstoffe. Unsere digitale Technik hilft uns, unmittelbar zu reagieren, zu forschen, zu kommunizieren. Wir können im Lockdown den globalen Handel beinahe ungehindert aufrecht erhalten. Die virtuelle Welt bietet zwar in ihrer beleidigenden Begrenztheit keinen Ersatz für die analoge, aber sie hilft über die Infektionsphasen hinweg, indem sie Infrastruktur aufrecht erhält und damit unsere Existenz sichert. Das Internet noch stabiler und vor allem sicherer zu machen, ist sicher eine wichtige Erkenntnis der aktuellen Pandemieerfahrung. Eine weitere ist die Tatsache, dass Berufe im Pflegebereich, in der Krankenversorgung, im Transport- und Mobilitätsbereich den Zusammenbruch der Gesellschaft verhindert haben. Die zwingende Konsequenz muss die moralische und monetäre Aufwertung dieser Berufsgruppen sein. Vor allem aber muss unser öffentliches Gesundheitswesen umfassend ausgebaut werden, es gehört in die öffentliche Hand, und darf nicht zu einem Rendite orientierten Selektionsinstrument verkommen!

Aus der Omnipräsenz von Virologe:innen sind auch einige Schlüsse zu ziehen: Wissenschaft arbeitet anders als Politik. Wissenschaft kann und soll Politik nicht ersetzen. Wissenschaft ist existenziell notwendig. Bei aller Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse bleibt es aber eine Aufgabe der Politik, angemessene Entscheidungen zu treffen. Dabei ist eine dynamische Balance notwendig, die die unterschiedlichen Interessen und Daten abwägt, die Zahlen zueinander in Beziehung setzt, und die so begründete Entscheidung angemessen kommuniziert. Das ist die Aufgabe der Politik. Bis jetzt hat sie diese Aufgabe schlecht gemacht. Das heißt, sie wurde rapide schlechter. Zu Anfang der Pandemie war ein zupackendes Intervenieren sichtbar, getragen von einem breiten gesellschaftliche Konsens. Das zugrunde liegende Vertrauen erodiert in der Geschwindigkeit, wie die Ministerpräsident:innen der Länder sich in Egoismen verloren. Öffentlich! Unter dem Deckmantel des Etiketts „Föderalismus“ verhinderten sie eine konsistente nationale Strategie zur wirksamen Bekämpfung. Und die Ursache ist NICHT der Föderalismus! Die Ursache ist das individuelle Streben nach Machterhalt, koste es, was es wolle. Der Preis ist die Erosion der Vertrauensbasis in der Gesellschaft, ein zunehmend rustikaler, aggressiver Umgangston vor allem in den sog. sozialen Medien, die offensichtliche Unfähigkeit, unterschiedliche Meinungen nicht nur auszuhalten, sondern sich damit auch noch auseinanderzusetzen, eine heftigere Trotz-Haltung gegen wohlmeinende Politiker-Appelle, grassierende Resignation, Egoismen, Rechthaberei, Besserwisserei, die Müdigkeit der Vernünftigen, etc. All das hängt mit der Unfähigkeit der verantwortlichen Politiker:innen zusammen, ihre Egoismen zu bremsen und in den Dienst der gemeinsamen Sache zustellen. Es ist ein Versagen der professionellen Politiker:innen-Kaste!

Natürlich ist das kein Argument für die sogenannte „Querdenker“-Bewegung, die für ihre unselige Gruppierung einen hervorragenden Begriff kaperten. Eine Bewegung, die mit eigenwilligen Zahlenzusammenhängen jonglieren, und allüberall von BillGatesPharmaindustrieImpfstoff-Verschwörungen raunt, kann ich in ihrer Argumentationslosigkeit nicht ernst nehmen. Auch wenn sich hinter all diesem Geraune ein wirklich wichtiger Kritikpunkt verbirgt: Die Kritik an der nach wie vor geltenden Wachstumslogik einer kapitalistischen Wirtschaft, ein Funktionsprinzip wider besseren Wissens.

Was ist zu tun? Harari findet das ganz naheliegend: Wir müssen unsere digitale Infrastruktur sichern. Sie sichert unsere Lebensgrundlage, und ist doch anfällig. Außerdem brauchen wir ein optimal funktionierendes öffentliches Gesundheitssystem. Die Forderung versteht sich eigentlich von selbst, und muss trotzdem immer wieder wiederholt werden, weil sie offensichtlich immer noch nicht ernst genommen wird. Darüber hinaus brauchen wir ein System, mit dem sich Pandemien weltweit vermeiden und überwachen lassen. Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Erkenntnis,  dass die reichsten Menschen in den entwickeltsten Ländern ein Interesse am Wohlergehen der ärmsten Menschen in den unterentwickeltsten Ländern haben. Die Geschwindigkeit, mit der ein Virus aus einer weit entfernten Siedlung im Dschungel auf einen Menschen überspringt, und sich seinen Weg um den Globus sucht, hat enorm zugenommen. Diese Erkenntnis muss unsere Art des Wirtschaftens grundlegend verändern. Sie wird ergänzt durch die empirische Tatsache, dass Kooperation die evolutionär erfolgreichere Art des menschlichen Zusammenlebens darstellt. Ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung, das sei das Prinzip der Konkurrenz, ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält, auch, weil es in den Grundfesten der am Profit orientierten Ökonomie fest verankert ist.

Wissenschaftlich und technisch sind wir also richtig gut gerüstet, sozial können wir auch zusammenarbeiten, wenn es nötig ist. Nur politisch bleibt ein ernüchterndes Fragezeichen. Die gewählten Politiker:innen machen keine gute Arbeit, sie scheitern an den Herausforderungen. Das Wiederrum ist auch die Verantwortung derjenigen, die sie gewählt haben. Der Prozess des Wählens muss dringend ein Prozess der politischen und sozialen Willensbildung werden, ein Prozess, dem wir Zeit, Aufmerksamkeit, Ernsthaftigkeit widmen. Dafür braucht es ein grenz- und parteiübergreifendes, solidarisches Engagement. Jetzt!

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