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„Weltfrieden durch befreite Arbeit?“

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Die Umbrüche der digitalen Transformation, das Verschwinden von Berufen, die Vernichtung von Arbeitsplätzen, Veränderungen in Sprache und Kultur, all das trägt wesentlich dazu bei, dass die Menschen in Demokratien durch populistische, also durch undifferenzierte, scheinbar einfache Lösungen zunehmend stärker verführt werden, was das System der Demokratie immer stärker gefährdet. Die Menschen sind herausgefordert, dem Kapitalismus eine bessere Alternative entgegenzusetzen. Einer phantasielosen, ohnmächtigen Rückkehr zum Status quo ante, zu etwas also, das so ist, wie es vor Corona war, ist eine Kapitulation vor einer übermächtig scheinenden Beharrungskraft des ökonomischen Systems. Wie Georg Schramm ganz richtig Warren Buffet zitierte, geht es um den Krieg zwischen Arm und Reich.

Die Zukunftsvision, der nicht nur Richard David Precht anhängt, ist die von Menschen, die sich nicht mehr dem Existenzkampf ausgeliefert sehen, sondern vielmehr tatkräftig, durch ein Grundeinkommen abgesichert, ihr Leben in einer demokratischen Gesellschaft gestalten, aktiv arbeitend, und am soziokulturellen Leben teilhabend. Die Sozialphilosophin Lisa Herzog hält eine solche Zukunftsvision nur dann für realistisch, wenn die heutige Lohnarbeit, das abhängig Beschäftigtsein, anders, besser gestaltet werden kann. Im Zuge der umfassenden Auswirkungen der digitalen Transformation verschiebt sie den Akzent: Sie stimmt nicht ein in die Prognosen Arbeit abzuschaffen, „von Arbeit zu befreien“, sondern fordert anzuerkennen, dass Arbeit vor allem eine soziale Dimension habe, die Unterschiedlichkeit, Vielfalt und Gemeinsamkeit erlebbar mache, und die immer auch ein Quell des Sinn suchenden Menschen sei. 

Die Humanisierung der Arbeit ist ein sehr aktuelles Thema, das vielen neueren Management- und Organisationstheorien einen Resonanzrahmen bietet, ein verkaufsförderndes Momentum, wenn man das so sagen kann. Tatsächlich bieten viele dieser Theorien zur Zeit eine argumentative Anknüpfungsmöglichkeit. Vom „Joch des Nutzens“ (Schiller), von der erpresserischen Nötigung aufgrund existenzieller Abhängigkeit befreit, nähren diese Theoriegebilde die Illusion, der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital sei aufgehoben. Dabei geht es einerseits um die Chance auf Selbstverwirklichung, die sich grundsätzlich in Arbeit bietet, und andererseits um das Zunichtemachen dieser Chance durch das Kapital, für das es nur darum geht, den Mehrwert grenzenlos zu steigern. Das Kapitalverwertungsinteresse, und das gilt unverändert, funktioniert grundsätzlich nur mit konsequentem Druck auf den Preis der Arbeitskraft, auf die Regulierung des Arbeitstages und auf die unmittelbare Gestaltung des Arbeitsprozesses. Diesen Widerspruch auflösen, hieße den Kapitalismus abschaffen. Eine Reform jedenfalls ist nicht möglich. Denn das, was dafür nötig wäre, nämlich den Primat wieder der Politik zuzueignen, würde eine manifeste Intervention des Staates nach sich ziehen, die unweigerlich zu einem neuen Wirtschaftssystem führen müsste. Der Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ ist daher eine Illusion, ein Wort, um diejenigen ruhig zu stellen, denen es gerade gut genug geht, um sich nicht aufzulehnen! Das allerdings scheint zu kippen.

Und in dieser Phase des Übergangs ist es umso wichtiger, uns darauf besinnen, dass nichts alternativlos ist. Es gibt immer Alternativen, auch zu einem kapitalistischen Wirtschaftssystem.    Ein guter Ansatz ist es zunächst, mehr von dem einzufordern, was unsere demokratischen Strukturen grundsätzlich ausmachen: Partizipation, Teilhabe, Verantwortung. Die Frage nach gerechten Verhältnissen drängt sich dann auf, bei der der Aspekt einer klaffenden Einkommensschere nur der am wenigsten schwierige ist. Wieviel Ungleichheit hält eine Gesellschaft aus? Diese Frage hängt unmittelbar damit zusammen, denn gerecht ist nicht „für-alle-das-gleiche“! Unser Denken hängt damit zusammen, dass wir in subalterne Dienstleistungen und elitäre Aufgaben unterscheiden, und die dazugehörigen Menschen in die entsprechenden Schubladen stecken. Und uns auch so verhalten. Und das beginnt, wie immer, mit unserer Sprache! Mit unserer Art miteinander zu reden! Mit der „Ich weiss, was richtig ist“-Haltung! Und mit der ausdauernden Suche nach Schuldigen! Es gibt wirklich viele Ansatzpunkte, bei denen jeder selbst anfangen kann zu verändern. Sofort! „Widerspruch ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit“, sagte einst Hegel.

Doch Widerspruch setzt natürlich voraus, dass er, will er konstruktiv sein, eine Wirkung hervorrufen muss, eine Resonanz, er also anschlussfähig sein muss. Was soviel bedeutet wie: Ein Gespräch in Gang setzen! Und das im besten Fall auch in Gang bleibt – „Wír bleiben im Gespräch, nicht wahr?!“. Damit das Gespräch, nach jähem Beginn, nicht gleich wieder blitzartig erstirbt, nur weil die Qualität der Argumente lausig ist, kann es helfen, sich zum Thema einige Gedanken zu machen. Nachdenken ist tatsächlich ein probates Mittel! Man kann das auch nachgerade lernen. Viel gewonnen ist schon, sich darüber bewußt zu sein, dass eine Meinung eben nur das ist – eine Meinung. Weder eine Tatsache, noch die Wahrheit. Sprachlich sich entsprechend zu verhalten, würde unserer Kommunikation ein ungeheuren Qualitätsschub verleihen. Klingt einfach? Ist es auch! Macht nur kaum jemand! Warum? Dazu gibt es an anderer Stelle viele Hypothesen! Jedenfalls ist das auch ein sehr ergiebiges Gesprächsthema, an dem man viel und vor allem lange lernen kann!  

Zurück zum Widerspruch, der ja, gut begründet, ein wesentlicher Teil einer solchen Fähigkeit zum Dialog ist. Die würde dann wahrscheinlich auch die Gefahr mindern, dass in demokratischen Staaten Menschen wie Trump, Orban, Erdogan, gewählt werden, die dann wieder Regierungen bilden, die die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken, die Kompetenz der Justiz beschneiden, den Nationalismus mit seiner chauvinistischen Fratze revitalisieren, und sich einen Dreck darum scheren, wie sie zur Lösung internationaler Probleme beitragen können.

Die soziale Dimension von Arbeit wirkt integrierend, befreit von Zwang, Schikane und Angst ist sie sinnstiftend. Dafür, für die Freiheit aller, ist eine staatliche Intervention nötig, die den Markt begrenzt, ihn zügelt, ihn Regeln unterwirft. Und auch wenn der widersprüchliche Grundsatz nach wie vor gilt, so wäre das doch ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung.

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