Wortreiche Sprachlosigkeit, aber politisch korrekt!

Political Correctness, oder „politische Korrektheit“, meint eine Haltung, die, jenseits von Kampfrhetorik, „alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird.“ Meint der Duden. Und meint damit schlicht eine angemessene Ausdrucksweise. Und dagegen kann ja kein vernünftig denkender Mensch etwas sagen! Das gilt auch noch vor jeder gesetzlichen Regelung, die eine Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung etc. sanktioniert.

Nun ist seit langem zu beobachten, dass diese Haltung zu einer Art „Sprach- und Meinungsdiktatur“ führt, die mit dem Flammenschwertgestus der sprachethischen „Wahrheit“ daherkommt. Eine beliebte Methode, die gerne, unabhängig von der politischen Orientierung, willkürlich eingesetzt wird. Und jeden Diskurs sofort beendet. Dass die Absicht, sich politisch korrekt ausdrücken zu wollen, aller Ehren wert ist, hat nicht verhindert, dass es zu unsagbar umständlichen Wortungetümen kam, die sicher nicht im Sinne des Erfinders waren. Wobei die Genderdebatte in der Sprache nur ein berühmt-berüchtigtes Phänomen ist.

Satirisch wurde es ein öffentliches Thema, als in der NDR-Sendung „extra 3“ eine Aussage der AfD-Politikerin A. Weidel aufgegriffen wurde, die meinte, man lasse sich nicht den Mund verbieten, und dass die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte gehöre. Was Moderator Christian Ehring so kommentierte: „Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das unkorrekt genug? Ich hoffe!“. Eine Klage Weidels dagegen hatte keinen Erfolg.

Selbstredend muss es eine „Grenze des Sagbaren“ im öffentlichen Gespräch geben. Denn niemand, wohl außer Joseph von Westphalen, würde sich eine Monarchie zurückwünschen, bloß weil ein*e König*in die Souveränität haben könnte, Idioten auch als Idioten zu bezeichnen: „Ich treffe mich nicht mit Stinkmorcheln und Puffkröten, – nicht dass da falsche Worte rausgehen!“ legt von Westphalen dem Monarchen in den Mund, der ein Treffen mit grobschlächtigen Politikern (Männer!) platzen lässt. Die royale Grandezza wirklicher Souveränität. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, meinte einst der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein. Meine Sprache ist meine Welt, sie spiegelt meine Weltsicht wider. Deshalb sind Begriffe wichtig, und der Austausch darüber. Deshalb ist so etwas wie „wording“, also die beliebige Verwendung irgendwelcher Wörter, auch ein Sargnagel für die sprachliche Sensibilität. Natürlich hatte der kürzlich verstorbene Dieter E. Zimmer  recht, als er bereits 1993 schrieb, dass „Political Correctness“ eine Marotte sei, die überall Rassismus und Sexismus wittere, eine Art Tugenddiktatur. Und damit auch ein Machtinstrument. Mit den Konsequenzen, dass sich kaum jemand noch traut, klare und kraftvolle Sätze zu formulieren, aus Angst, er könnte eine Gruppe sprachlich vergessen, und damit potenziell diskriminiert haben. Die Art der öffentlichen Rede heute ist das Produkt dieser Angst, Peter Sloterdijk nennt es Feigheit. Irgendwie aber auch nachvollziehbar, wenn jede öffentliche Äußerung von einem kritischen Medienecho begleitet wird, das sich genau auf solche Lässlichkeiten stürzt, und sie auflagenwirksam ausschlachtet. Kolumnisten wie z. B. der Spiegel-Bild-etc-Kommentator J. Fleischhauer stehen genau für diese Art Opportunismus. Ganz zu schweigen von Meinungs- und Behauptungsorgien a la KenFM-Videos, bisweilen mit rhetorischem Schaum vor dem Mund vorgetragen, die eine Mund-Nasen-Bedeckung als Ausverkauf unserer demokratischen Grundrechte brandmarken. Eine Maske nervt! Na und?!

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft bleibt eine angemessene Ausdrucksform eine notwendige Bedingung dafür, dass dieser Spalt nicht noch größer wird. Angemessen ist sie, wenn sie sensibel für Unterschiede bleibt, und sich an der Idee orientiert, dass man über andere nicht so sprechen soll, wie man es auch im Reden über sich selbst nicht gerne hören würde. Dieses sprachethische Prinzip ist gerade keine starre Regel, es läßt Interpretationsspielraum, und damit genug Freiheit für individuelle rhetorische Nuancierungen. Es nötigt allerdings auch zu mehr Disziplin in der Wortwahl, und ist damit ein wirksamer Kontrapunkt zu einem diskriminierenden, herabwürdigenden Sprachgebrauch! Womit unserer Sprachkultur sehr geholfen wäre. Und nicht nur der!

Über „Political Correctnes“ ein Text, den die Bundeszentrale für politische Bildung im März 2020 veröffentlicht hat. Ein Essay mit dem Titel „Korrekt ist nicht immer richtig“ aus der Stuttgarter Zeitung aus dem Jahre 2017, und „Die Sprache der Politischen Korrektheit“ von Dieter E. Zimmer, veröffentlicht in der ZEIT am 23.02.1996.

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